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Ehrenamt

«Es braucht ein planmässiges Freiwilligenarbeit-Management»

Ehrenamtliche und freiwillige Helfer waren und sind die unverzichtbaren Motoren der Sportvereine. Professor Siegfried Nagel, Direktor des Instituts für Sportwissenschaft und Leiter Abteilung Sportwissenschaft III an der Universität Bern, erklärt ihre Erwartungen und Antriebe.

Herr Nagel, welche Erwartungen haben Ehrenamtliche?

Unsere Studien zeigen klar, dass weder Bezahlung noch materielle Dinge Hauptantrieb sind. Anerkennung, Wertschätzung und ein respektvoller Umgang sind viel wichtiger für die Ehrenamtlichen. Wichtig ist ihnen die Art und Weise, wie die Aufgabe gestaltet ist. Ehrenamtliche wollen selbstständig arbeiten und nicht stark in Sachzwänge eingebunden sein. Sie wollen das machen, was sie gerne machen. Sie erwarten auch, dass sie in ihrer Arbeit unterstützt werden – sei es vom Vorstand oder einer Art Coach. Vereine sollten die Freiwilligen einbinden. Dazu gehört eine aktive Kommunikation, was im Verein läuft.

Welche Motivation haben Ehrenamtliche?

Der Antrieb ist nicht rein altruistisch, um anderen zu helfen oder der gemeinsamen Sache zu dienen. An vorderer Stelle steht durchaus, die eigenen Fähigkeiten zu erweitern und persönlich zu profitieren – zum Beispiel durch Netzwerkkontakte. Dies zeigen auch internationale Studien. Durch die Arbeit als Ehrenamtlicher kann man auch dem Arbeitgeber gegenüber dokumentieren, dass man sich über das normale Mass hinaus einsetzt. Empirische Untersuchungen belegen, dass ehrenamtliches Engagement mit beruflichem Erfolg verbunden ist.

Welche Erwartungen darf der Verein an die Ehrenamtlichen haben?

Von einem Trainer darf erwartet werden, dass er die nötige Qualifikation mitbringt, sich weiterbildet und die Trainings in angemessener Art gestaltet. Wenn er sich dazu bekennt, zweimal pro Woche ein Training zu leiten, dann sollte er dies auch durchziehen. Auf der anderen Seite darf die Aufgabe nicht zu gross sein – gerade, was den zeitlichen Aufwand angeht.

Letzteres führt zu einer Zunahme des Jobsharings …

… generell und gerade im Sport. Gemäss der nationalen Vereinssportstudie haben die Sportvereine im Schnitt 1,2 Präsidenten. Das bedeutet in jedem fünften Verein ein Co-Präsidium. In Anbetracht der gestiegenen zeitlichen Anforderungen im Beruf und auch der veränderten Bedürfnisse und Rollen in der Familie macht dies Sinn, sonst werden die Aufgaben zu gross. Allerdings kann man Aufgaben auch nicht endlos aufteilen.

Haben sich die Erwartungen von Ehrenamtlichen verändert?

In empirischen Befunden sind keine grundlegenden Änderungen festzustellen. Bei Jungen ist eine gewisse Tendenz auszumachen, dass sie über freiwilliges Engagement Teile ihres Studiums oder ihrer Ausbildung finanzieren wollen. Aus einer europäischen Studie geht überdies hervor, dass in allen Ländern die gleiche Erwartungsstruktur herrscht.

Was können Vereine unternehmen, um Ehrenamtliche und Freiwillige zu gewinnen und zu binden?

Es braucht ein systematisches und planmässiges Freiwilligenarbeit-Management. Das wird häufig vernachlässigt. Die Vereine haben eine zuständige Stelle für die Finanzen, die den Überblick hat und für Nachwuchs schaut. Diese Stelle fehlt aber für die Freiwilligenkoordination. Ein Mittel kann eine Freiwilligendatenbank sein, in der die Stärken und Interessen hinterlegt sind. So kann gezielt rekrutiert werden. Im Projekt «Mehr Freiwillige» empfahlen wir, mit einer Kampagne die Freiwilligenarbeit mit einem positiven Image zu belegen. Um die Ehrenamtlichen zu binden, ist die Identifikation ein sehr wichtiger Faktor. Diese wird durch gesellige Veranstaltungen gefördert. Es ist erwiesen, dass die Wahrscheinlichkeit, sich als Ehrenamtlicher zu engagieren, steigt, wenn jemand mit dem Verein eng verbunden ist. Man will etwas zurückgeben.

Hat das Ehrenamt Zukunft?

Auf jeden Fall. Vereine sollten jedoch prüfen, ob es Sinn macht, für administrative Arbeiten bezahlte Mitarbeitende anzustellen. Eine Geschäftsstelle kann Ehrenamtliche entlasten und unterstützen, damit diese ihre Ressourcen dort einsetzen können, wo sie Freude haben. Geschieht diese sanfte Professionalisierung auf geschickte Weise, fördert dies die Zufriedenheit und Ehrenamtliche bleiben länger dabei. Bei Verbänden hat dieser Prozess schon eingesetzt. Die aktuelle Vereinssportstudie zeigt, dass sich immer mehr Menschen ehrenamtlich engagieren – allerdings mit einem geringeren zeitlichen Aufwand.

Quelle des Basisbeitrages: Dossier «Herausforderung Sportverein», Mai 2018
Herausgeber: Zürcher Kantonalverband für Sport und Sportamt Kanton Zürich

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