Sportkanton Zürich
Sportmotive sind der Schlüssel zu einem bewegungsfördernden Klima
Welche Sportbedürfnisse haben Erwachsene, die sich in der Rushhour des Lebens befinden? Dieser und weiteren Fragen ging das 9. Forum Sportkanton Zürich nach. Das Thema zog über 200 Teilnehmende an.
Mit Schneeschuhen, Flossen, Fussbällen, Tennisrackets, Mountainbikes, Schlitten – ja sogar mit einem Stück Tartanbahn war die Bühne im Metropol Zürich dekoriert. Das Ambiente stimmte die über 200 Vertreterinnen und Vertreter aus Sportverbänden und Gemeinden perfekt ins Thema des 9. Forum Sportkanton Zürich ein. Unter dem Motto «Sport. Immer. Überall.» beleuchtete das Forum, wie Sportangebote und Sporträume gestaltet sein müssen, damit aktive Erwachsene zwischen 30 und 55 Jahren – in der Rushhour des Lebens – jederzeit und an jedem Ort Sport treiben können.
«Sport ist ein Lebensgefühl. Viele Zürcherinnen und Zürcher treiben draussen Sport. Während früher der Wald die grösste Sportstätte war, wird heute mehr und mehr im öffentlichen Raum trainiert», brachte es Stefan Schötzau, Chef des Sportamtes des Kantons Zürich, einleitend auf den Punkt. «Und trotzdem: Der Anteil Sporttreibender, die sich in der Rushhour des Lebens befinden, wird kleiner», sagte Josy Beer, ZKS-Geschäftsführerin und Co-Gastgeberin. Die Beanspruchung durch Berufskarriere, Partnerschaft und Familie steige in dieser Phase – wogegen die verfügbare Zeit für Sport sinke. «Doch wenn es uns gelingt, die Angebote an die Bedürfnisse der aktiven Erwachsenen anzupassen, können wir sie im Sport respektive im Sportverein halten», betonte Josy Beer.
Welche Bedeutung frei zugängliche Sporträume im Kanton Zürich einnehmen, darüber sprach Regierungsrat und Sportdirektor Mario Fehr in seiner Grussbotschaft. «Die Menschen erkennen, dass der Sport eine zentrale Rolle spielt in der Gesellschaft.» Das hätten unter anderem verschiedene kommunale Abstimmungen im November wieder bestätigt, als die beantragten Sportprojekte jeweils angenommen wurden. Doch die Zustimmung allein reiche nicht: «Unsere Aufgabe ist es, über die Sportanlagen hinaus zu denken und zu überlegen, wie der Sport noch unkonventioneller werden kann.» Powerstations, mobile Pumptracks oder das Pilotprojekt Active City Kloten, das im Frühjahr 2020 kostenlose Sport- und Bewegungsangebote für die Bevölkerung schaffen wird, seien Beispiele dafür. «Wir werden den eingeschlagenen Weg weiter gehen. Ich bin überzeugt, dass wir den Sportkanton Zürich erheblich vorantreiben werden», unterstrich Mario Fehr.
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Sportmotive halten sich über die Jahre stabil
Der Rektor der Eidgenössischen Hochschule für Sport Magglingen, Dr. Urs Mäder, ging als nächstes auf die Bedürfnisse von Erwachsenen und deren Auswirkungen auf Sportangebote ein. Einleitend nannte er dafür einige Statistiken, welche die Bedeutung des Sports in der Gesellschaft unterstreichen. So zeigte Urs Mäder beispielsweise auf, dass sich der Anteil Inaktiver zwischen 2002 und 2017 um mehr als 50 Prozent verringert hat. Dabei verschwieg er nicht, dass es noch immer einen harten Kern gebe, der nicht aktiv sei. «Dafür belegen die Erhebungen, dass die Menschen, die bereits aktiv sind, immer mehr Sport treiben.» Was die Vereine betrifft, werden die Mitglieder tendenziell jünger. In anderen Worten, der Anteil Erwachsener sinkt, die Anzahl Kinder und Jugendliche steigt. «Das ist zum einen eine positive Entwicklung. Zum anderen wird es dadurch für die Vereine immer schwieriger, für längerfristige Vorstandsarbeiten geeignete Personen zu finden.»
Auf die Frage, weshalb Menschen überhaupt Sport treiben, hatte Urs Mäder eine klare Antwort parat: «Draussen in der Natur sein, Gesundheit, Spass oder Freude an der Bewegung sind die wichtigsten Motive. Diese halten sich über die Jahre stabil und bekamen von allen Altersgruppen dieselbe hohe Bedeutung, egal ob im 2000, 2008 oder 2014.» Die Sportmotive zu kennen sei für Sportanbieter bedeutend. «Wenn ich weiss, was die Menschen antreibt, kann ich ein bewegungs- und sportförderndes Klima schaffen», appellierte Urs Mäder an die Vertreterinnen und Vertreter von Sportvereinen und -verbänden, Gemeinden und weiteren Sportakteuren. Er motivierte sie dazu, die Sportmotive abzuholen und diese bei der Gestaltung von Angeboten zu berücksichtigen: «Die Umwelt verändert sich stetig und wirkt sich auf das Aktivsein aus. Die erfolgreiche Sportförderung reagiert auf diese Veränderungen!»
ZKS-Präsident Urs Hutter unterstrich anschliessend, wie wichtig es in diesem Prozess sei, dass sich Sportanbieter zusammenschliessen und vernetzt anfangen zu denken: «Das Sportnetz ist das A und O. Wenn wir geschlossen hinstehen, erreichen wir mehr.» Der ZKS als Dienstleister und Interessenvertreter der Sportverbände und -vereine biete dabei Unterstützung, unter anderem auch durch das umfangreiche Weiterbildungsangebot.
«Freiräume werden zu Leistungsträgern»
Einen Perspektivenwechsel vollzog Stadtforscherin PD Dr. Gabriela Muri vom Departement Soziale Arbeit an der ZHAW. Sie beleuchtete in ihrem Referat, was passiert, wenn die verschiedenen Sportbedürfnisse – ganz nach dem Motto «Sport. Immer. Überall.» – auf den öffentlichen Raum treffen. «Öffentliche Räume sind Gesellschaftsräume. Sie existieren aber nicht einfach, sondern werden im Alltagshandeln geschaffen», erklärte sie. So dienten Räume sowohl als Treffpunkte und Bühnen wie auch zum Spielen und Bewegen. Hinzu komme der Aspekt der Verdichtung: «Freiräume werden zu Leistungsträgern und müssen verschiedensten Ansprüchen gerecht werden.» Gabriela Muri sieht die Verdichtung indes nicht als Hindernis, sondern als Herausforderung, die Chancen bietet. Als Erfolgsfaktor erwähnte sie unter anderem, wie wichtig es sei, dass sich die involvierten Planungsebenen untereinander abstimmen; vom Kanton über die Region bis hin zu den Gemeinden, Ressorts und Abteilungen. Weiter sei nötig, dass über die Grundstückgrenzen hinaus gedacht wird, Gestaltung und Nutzung im Dialog sind sowie die Kommunikation sichergestellt ist. Wenn Freiräume im Spannungsfeld von Interessen stehen, sei die Partizipation – die Einbindung aller Akteure – entscheidend, erläuterte die Stadtforscherin. Am Ende betonte Gabriela Muri, was auch die Referenten zuvor bestätigten: «Sport ist mittendrin, in der Gesellschaft.» Sport bringe Innovation in den Alltag, aber auch in die Stadtentwicklung.
Einen kreativen Umgang mit Sportvereinen pflegen
Im anschliessenden Podiumsgespräch diskutierten Dave Mischler (Sportamt Winterthur), Benjamin Klante (Triathlon-Verband Kanton Zürich), Valentin Bamert (Verein Züritrails) und Miguel Alvarez (Rock’n’Run) über die Frage, wie Sporträume und Organisationsformen das Bedürfnis nach «Sport. Immer. Überall.» abdecken können. Schnell wurde klar, dass diesbezüglich viel unternommen wird. «Wenn wir Sportprojekte entwickeln, berücksichtigen wir immer den Aspekt, dass bei unseren Angeboten jedermann- und frau mitmachen kann», sagt Miguel Alvarez, Gründer von Rock’n’Run. Diese Devise gilt auch bei tri züri: «Bei uns kann man laufen, schwimmen und Rad fahren, ohne dass man gleich einen Triathlon machen muss», sagte Präsident Benjamin Klante. Man spüre, dass die Menschen die Vielfalt des Sports ausprobieren möchten. «Um auf diesen Trend reagieren zu können, müssen wir Synergien nutzen und mit anderen Vereinen und Organisationen zusammenarbeiten.» Dave Mischler, Geschäftsführer des Sportamts Winterthur, erläuterte den Aspekt der Bedürfnisbefriedigung aus Behördensicht: «Wichtig ist, dass man Sportvereinen und -anbietern zuhört, mit ihnen in Kontakt tritt und einen kreativen Umgang pflegt.» Er machte dem Fachpublikum Mut, ein offenes Ohr zu haben und vom Know-how der Organisationen zu profitieren. Das gelte auch für kleinere Gemeinden, betonte Dave Mischler. «Jede Gemeinde hat ein Schulhaus, Spielplätze oder eine Badi. Das sind öffentliche Räume, die für Sport und Bewegung genutzt werden können.»
Wo Freiräume sind, besteht auch Konfliktpotenzial. Um dieses zu minimieren, hat Züritrails eigens einen Mountainbike-Verhaltenskodex erstellt. «Wer sich im Gelände und Wald bewegt, hinterlässt einen Eindruck», erklärte Vereinspräsident Valentin Bamert. «Wenn ich mich aber vorsichtig verhalte, mich frühzeitig ankündige, vielleicht auch Grüezi sage, schaffe ich viel Goodwill.» tri züri setzt ebenfalls auf Dialog, etwa wenn es um den Walliseller Triathlon geht und gewisse Strassenabschnitte gesperrt sind. «Die Durchführung ist nur möglich, wenn Gemeinde, Vereine und Anwohner involviert sind», so Benjamin Klante. Eine klare Kommunikation ist auch für Miguel Alvarez wichtig: «Als Veranstalter sind wir auf Regeln angewiesen. Was dürfen wir? Was dürfen wir nicht? Zum Schluss erwähnte der Rock’n’Run-Gründer zwei Trends, die sich in der nahen Zukunft abzeichnen: Das holistische Denken, das Sport, Ernährung und Bewegung beinhaltet, werde zunehmen. Und: Ausgelöst durch die Klimadebatte werde das Wandern eine Renaissance erleben.
Nach gut zwei informativen und kurzweiligen Stunden hielt Josy Beer fest: «Die Referenten haben gezeigt, dass sich die Sportbedürfnisse im Leben verändern. Wichtig ist, dass wir die Sportmotive und -ziele der Menschen kennen, um passende Angebote lancieren zu können.» Stefan Schötzau fügte an: «Sport ist wichtig und braucht Raum. Der Raum muss aber so sein, damit er genutzt werden kann.» Es liege nun an uns allen, die Informationen mit nach Hause zu tragen und in den Vereinen, Verbänden, Gemeinden und anderen Organisationen umzusetzen.
Das Dossier «Sport. Immer. Überall.», das im Mai 2020 erscheinen wird, bietet weitere Inspiration. Das 10. Forum Sportkanton Zürich findet am 1. Dezember 2020 statt.
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