Sportkanton Zürich
Forum Sportkanton Zürich: Weshalb wir uns Zeit für den Sport nehmen
Die Welt wird immer schnelllebiger, die Freizeit rarer und wertvoller und der Zeitstress nimmt zu. Wann haben wir überhaupt noch Zeit für den Sport und das Ehrenamt? Und warum können wir uns Zeit dafür nehmen? Das 14. Forum Sportkanton Zürich, organisiert vom ZKS und dem kantonalen Sportamt, stellte unseren Umgang mit der Zeit und dem Sport in den Fokus.
Mit Gästen aus Politik, Wissenschaft und Sport: Das 14. Forum Sportkanton Zürich drehte sich um die Zeit. Fotos: Kurt Schorrer
Von 10 auf 0: Mit einem Countdown wurde das diesjährige Forum Sportkanton Zürich eingeläutet. Daraufhin lief während den ganzen zwei Stunden eine Stoppuhr. Die Zeit, sie stand in «The Hall» in Dübendorf durchgehend im Rampenlicht. «Schön, haben sie sich heute Abend Zeit genommen», begrüssten ZKS-Geschäftsführerin Josy Beer und Sportamtschef Stefan Schötzau denn auch die Besucherinnen und Besucher augenzwinkernd.
Verschiedene Studien zeigen, dass wir heutzutage einen halben Tag mehr Freizeit in der Woche haben als früher. Gleichzeitig leiden aber auch rund ein Drittel der Bevölkerung vermehrt unter Zeitstress. Weshalb diese Diskrepanz? Und warum schaufeln wir uns dennoch Zeit frei, um Sport zu treiben? Auf diese Fragen ging das 14. Forum Sportkanton Zürich ein.
So hielt Josy Beer zu Beginn fest, dass es zwar mühsam sei, nach einem langen Arbeitstag die Motivation zu finden, um ins Training zu gehen. «Doch es tut gut, miteinander Sport zu treiben. Die sozialen Kontakte zu pflegen, ist mein Anreiz, mir Zeit zu nehmen.» Und auch für Stefan Schötzau sei es wichtig, trotz Zeitstress Sport auszuüben, ob mit dem Fahrrad auf dem Arbeitsweg oder als Ausgleich in den Ferien.
Zeitstress als globale Krankheit
Fakt ist: Der Tag hat genau 24 Stunden. Wir müssen uns darum genau einteilen, was uns wie viel Zeit wert ist. Die Frage ist nur, wie und was überhaupt beeinflussen können, um mehr Zeit zu haben. Und hier nahm Zeitforscher Ivo Muri die Forumsteilnehmenden mit auf einen kurzen Exkurs über die Zeit.
Muri stellte klar, dass wir aktuell als Gesellschaft ein Zeitproblem haben. «Unser Zeitgefühl hat sich in den letzten Jahren stark verändert, der Zeitstress ist eine globale Krankheit geworden.» Insbesondere in den Städten läuft die Zeit viel schneller, die Menschen marschieren zügiger durch die Strassen und lassen sich weniger Zeit für alltägliche Dinge.
Ticktack für den Kopf: Ivo Muri gab einen Einblick in die drei Arten der Zeit.
Dabei sei Zeit wichtig für die Gesundheit, erklärt Muri. Sport bedeute, dass man sich bewege, und somit bewege man seinen Körper. «Wir brauchen den Atem, fördern unseren Kreislauf, nutzen unsere Organe. Der ganze Körper erhält einen internen Zeitablauf, eine innere Uhr, die uns gesund hält. Darum ist der Sport für uns so wichtig.»
Ausbruch aus dem Hamsterrad
Muri unterscheidet drei Arten von Zeiten: Zeit ist Raum; Zeit ist Geld; Zeit ist Leben. Der Raum sei gegeben. «Wir werden schliesslich in eine Planetenbewegung hineingeboren, die unsere Zeit vorgibt. Und unsere Körper synchronisieren sich mit dieser Planetenbewegung.» Zudem habe die Menschheit gelernt, über verschiedene Zeitzonen den Raum und die Zeit auf dem Globus zu ordnen.
Durch das Wirtschaftssystem, welches wir uns geschaffen haben, sei Zeit aber auch Geld. Wir müssen pünktlich unsere Miete bezahlen oder arbeiten mit Deadlines, um unsere Projekte und Aufgaben abzuschliessen, um letzten Endes Geld zu verdienen. So brummt ein globaler Wirtschaftsmotor, der uns alle vorantreibt. «Wir Menschen rennen im Hamsterrad. Und wir alleine können dies nicht beeinflussen.»
«Miteinander Sport in einem Verein zu treiben, miteinander etwas zu unternehmen, heisst, Lebensenergie auszutauschen.»
Ivo Muri, Zeitforscher
Was wir jedoch beeinflussen können, so Muri, ist, wie wir persönlich unsere Zeit einteilen, um uns Lebensenergie zu schenken – die dritte Art von Zeit. «Miteinander Sport in einem Verein zu treiben, miteinander etwas zu unternehmen, heisst, Lebensenergie auszutauschen.» Diese Lebensenergie spüre man überall im Sport, ob man gewinnt oder verliert. Entsprechend endet Muri sein Referat mit einem Apell: «Durch die Vereinstätigkeit sind wir eine Gemeinschaft geworden, die friedlich zusammenlebt. Darum: Begegnet euch, treibt zusammen Sport, nehmt euch dafür Zeit!»
Die wertvolle Zeit im Ehrenamt
Im darauffolgenden Podiumsgespräch befassten sich verschiedene Gäste aus dem Sport und der Politik mit dem Umgang der Zeit. Im Schlaglicht stand beispielsweise das Ehrenamt.
Rahel Bürgi vom Schweizer Sportobservatorium hielt fest, dass sich zunehmend mehr Menschen Zeit für Sport nehmen, sowohl Erwachsene wie auch Kinder und Jugendliche. Es seien aber insbesondere die Vereine und Ehrenamtlichen, welche diese nutzbare Zeit schaffen und schenken. «Im Schnitt leisten Ehrenamtliche pro Monat 12 Stunden Einsatz. Und dieser Einsatz ist nicht einfach mühsam, er bereitet vielen Freude. Darum tun sie dies überhaupt.»
Das Angebot sei zudem entscheidend, ob sich die Menschen Zeit für den Sport nehmen. «Infrastruktur ist ein zentraler Punkt, um Vereine bei ihren Angeboten zu unterstützen», erklärt Bürgi. Ein Thema, das beim Podium am Beispiel der Stadt Winterthur beleuchtet wurde.
Sprachen über den Umgang mit der Zeit: Sophie Bergmann, Martina Blum, Rahel Bürgi, Diego Staub und Moderator Franco Marvulli.
Martina Blum, Vorsteherin des Departements Schule und Sport der Stadt Winterthur, unterstrich: «In der Stadt ist nicht nur die Zeit, sondern auch der Raum wertvoll. Diesen wollen wir so gut wie möglich für den Sport nutzen.» Blum nennt beispielsweise den Pumptrack, der periodisch immer wieder aufgestellt wird und sehr beliebt ist. «Es braucht einen niederschwelligen Zugang zum Sport – und dies für eine breite Bevölkerungsschicht, sodass alle Familien einen sportlichen Ausgleich finden können.»
Ein breites Spektrum an Vereinsmitgliedern will Sophie Bergmann, Co-Präsidentin des TV Oerlikon, ansprechen, dies mit einem Leichtathletikangebot für alle. «Flexibilität ist hier der Schlüssel. Alles ist heute so schnelllebig, da muss man flexibel bleiben, um alle Bedürfnisse zu stillen.»
Am Ende zählt der Wille
Zeit ist auch in Bergmanns Rolle als Co-Präsidentin ein wichtiger Faktor. Denn es sei keine einfache Aufgabe, die sie in ihrem Ehrenamt bewältigen müsse. Sie bringe nur alles unter einen Hut, weil sie sowohl zuhause wie auch im Vorstand unterstützt werde: «Allein können wir nicht viel erreichen. Aber gemeinsam, mit Teamwork, schaffen wir uns die Zeit.»
Mario Fehr betonte, dass es sinnvoll ist, die Zeit für den Sport zu nutzen.
Zeit für andere schafft derweil Diego Staub, Präsident vom Squash Club Sihltal. Er organisiert eine Plauschliga, indem er den Spielern eine Plattform gibt, auf welcher sie ihre Partien selber organisieren können. «So können die Spielerinnen und Spieler flexibel planen, wann sie sich treffen.» Aber Zeit zu schaffen, sei nur das eine, sagte Staub: «Ob im Ehrenamt oder als Sportlerin: Hat man die Zeit, muss man auch den Willen haben, diese für den Sport zu nutzen.»
Genau dies betonte auch Regierungsrat Mario Rede in seiner Rede zum Ende des Forums. Sein Leben bestehe 24 Stunden und sieben Tage lang aus Politik. Er muss zwischendurch für den Sport Zeit schaffen, um sich auszuklinken. «Wenn ich zusammen mit anderen Leuten Sport treibe, dann fühle ich mich wohl.»
Der Regierungsrat hielt abschliessend fest: «Wir haben noch nie so viel Zeit gehabt wie jetzt. Die Frage ist nur, wie wir diese Zeit einsetzen. Und am sinnvollsten ist es doch, wenn wir ab und zu diese Zeit in den Sport investieren.»