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Ehrenamt

Anzeichen eines Rückgangs und Potenzial

Die Hälfte der Schweizer Wohnbevölkerung engagiert sich regelmässig für die Gesellschaft. Doch die freiwillige Arbeit nimmt ab – insbesondere bei der jungen Generation.

Individualisierung, Konsumorientierung, Globalisierung: Schlagwörter wie diese sind immer wieder zu hören. Sie beschreiben den Wandel, in dem sich die Gesellschaft befindet. Unsere Epoche wird geprägt von markanten Veränderungen unserer Lebenswelten, bedingt durch rasante Entwicklungen der Informations- und Kommunikationstechnologien, Neuordnungen in Wirtschaft und Politik, Demografie, Mobilität, ökologische Probleme, Migration, zentrale Fragen zur demokratischen und ethischen Mitverantwortung usw. 

Auch das freiwillige Engagement als Fundament unseres Zusammenlebens ist den anhaltenden Individualisierungsprozessen unterworfen. Laut den Zahlen des «Freiwilligen-Monitors 2016», der repräsentativen Untersuchung über freiwilliges und ehrenamtliches Engagement der Schweizer Bevölkerung, leistet etwa die Hälfte der Bevölkerung in der Schweiz unentgeltlich Freiwilligenarbeit in- und ausserhalb von Vereinen. «Wir erkennen jedoch Anzeichen eines Rückgangs in der Vereinstätigkeit in den letzten Jahren», erklärt Forschungsleiter Markus Freitag von der Uni Bern.
 

«Freiwillige sind eher aktive, gesellige und freundliche Menschen von hoher Belastbarkeit und Stressresistenz.»

Markus Freitag, Universität Bern

Ein freiwilliges Engagement ist im Allgemeinen eher bei Personen üblich, die in der Deutschschweiz und auf dem Land leben, eine gute Bildung aufweisen, mittleren Alters sind und schulpflichtige Kinder haben. Eine Einbindung im Familien- und Freundeskreis oder im beruflichen Umfeld unterstützt diesen unbezahlten Dienst zur Förderung des Gemeinwohls. «Dazu haben wir erfahren, dass Freiwillige im Gegensatz zu Nicht-Freiwilligen eher aktive, gesellige und freundliche Menschen von hoher Belastbarkeit und Stressresistenz sind», ergänzt Freitag.

Die Untersuchungen zeigen auch, dass sich vor allem jüngere Menschen aus der Vereinstätigkeit zurückziehen. Gleichzeitig nutzen sie im Vergleich zu älteren Erwachsenen viel häufiger das Internet für ihre unbezahlten Tätigkeiten. Jüngere Menschen verbinden ihr freiwilliges Engagement stärker mit einem persönlichen Nutzen als ältere Generationen. Während freiwillige Tätigkeit für letztere eine Herzensangelegenheit ist, stellt die nach 1980 geborene Generation Y eher egotaktische Überlegungen an. Für die Jungen sind Aspekte, die das freiwillige Engagement mit Qualifikation, Weiterbildung und persönlicher Bereicherung verbinden, wichtiger als für die älteren Generationen: «Auch junge Erwachsene engagieren sich. Doch für die Generation Y ist die Freiwilligenarbeit weniger stark eine Herzensangelegenheit als für Personen über 35 Jahren», sagt Markus Freitag.

Erstmals wurde im «Freiwilligen-Monitor 2016» die Freiwilligentätigkeit im Internet erhoben. Rund ein Viertel der Schweizer Wohnbevölkerung engagiert sich auf mindestens eine Art online freiwillig. Beispiele sind das Gründen und Moderieren von Facebook-Gruppen, die Pflege von Webseiten von Vereinen oder Organisationen oder das Aufbereiten von Informationen, die Bereitstellung von Expertisen oder die Beratung über das Internet. Auch Spenden wie das Crowdfunding für ein online lanciertes Projekt oder eine Aktion gehören dazu.

«Auch junge Erwachsene engagieren sich.»

Markus Freitag, Universität Bern

Grundsätzlich ist festzustellen, dass sich aufgrund der sozio-kulturellen Veränderungen vor allem die Motivations- und Bereitschaftsstrukturen der Freiwilligen verändert haben. In der Wissenschaft wird von einem «neuen» oder «modernen» freiwilligen Engagement gesprochen. Es erfolgt dabei nicht mehr über Jahre hinweg zugunsten eines einzelnen Vereins, sondern sporadischer, zeitlich begrenzt und auf einer wenig verpflichtenden Basis. Einmal mithelfen, einen Sportnachmittag zu organisieren, das nächste Mal durch Kochen im Trainingslager den Fussballclub unterstützen und einige Monate später im Quartierverein servieren, dies entspricht am besten den Bedürfnissen eines modernen Freiwilligen. Kurz: Mehr Projekteinsätze, kürzere Einsatzzeiten, Mitspracherecht, klare Rahmenbedingungen und kompetente Begleitung.

Nach wie vor wollen sich Menschen jeden Alters aus Solidarität für die Lösung von anstehenden Problemen engagieren. Das Bild der selbstlosen und opferbereiten Helfenden entspricht nicht mehr dem Ideal. Das Engagement ist stärker von den individuellen Interessen einer Person abhängig als früher. Freiwillige erwarten heute einen immateriellen Gewinn: Kontakte, Austausch, Talente entwickeln, Anerkennung. Obwohl es nach wie vor zahlreiche Menschen gibt, die bereit sind, sich freiwillig zu engagieren, haben viele Vereine immer mehr Mühe, ihre Vorstände zu besetzen und feste Ämter zu vergeben. Jobsharing wird deshalb immer beliebter. Gleichzeitig ist das Potenzial an ehrenamtlich Mitarbeitenden nicht ausgeschöpft: 28 Prozent der nicht freiwillig tätigen Vereinsmitglieder können sich grundsätzlich vorstellen, ein Amt zu übernehmen, wenn sie angefragt würden.

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