Vereinsentwicklung
«Die Vereine werden sich öffnen und Angebote für Nichtmitglieder entwickeln»
Der Vereinssport ist genauso im Wandel wie die Gesellschaft. Wie sich die Vereine diesen Veränderungen stellen und welches die Herausforderungen sind, diskutieren ZKS-Geschäftsführerin Josy Beer und Stefan Schötzau, Chef des Sportamts des Kantons Zürich.
Josy Beer und Stefan Schötzau, wie geht es dem Vereinssport?
Josy Beer: Dem Vereinssport geht es insgesamt sehr gut. Das Angebot ist vielfältig; es brechen keine Sportarten weg.
Stefan Schötzau: Die Mitgliederzahlen der Vereine steigen. Die Sportvereine sind weiterhin die wichtigsten Sportanbieter. Für Kinder und Jugendliche sowie den Wettkampfsport sind die Vereine unersetzlich.
Wie haben sich die Herausforderungen in den letzten Jahren verändert?
Schötzau: Die Problemfelder haben sich seit der ersten Vereinssportstudie vor 20 Jahren kaum verändert: Ehrenamt und Nachwuchs. Sie haben sich insofern akzentuiert, als mehr Vereine diese Sorgen geäussert haben.
Beer: Die Schwierigkeiten beim Gewinnen von Mitgliedern sowie Funktionärinnen und Funktionären haben einen Zusammenhang mit gesellschaftlichen Veränderungen in der Freizeit und im Berufsleben. Die Leute sind mobiler; sie wohnen und arbeiten nicht am gleichen Ort, was für Vereine eine Herausforderung ist.
Welche Veränderungen nehmen Sie wahr?
Beer: Im Ehrenamt wollen sich viele nur für eine bestimmte Zeit engagieren. Die durchschnittlich freiwillig engagierte Person im Sport ist männlich, zwischen 35 und 45 Jahre alt und damit auch beruflich sowie familiär stark belastet. Deshalb investieren einige lieber finanzielle als personelle Ressourcen. Das bietet auch Chancen. Die Vereine werden sich öffnen und Angebote für Nichtmitglieder entwickeln.
Schötzau: Es herrscht eine hohe Erwartungshaltung, aber viele Leute haben nicht ausreichend Ressourcen, um sich in grossem Umfang zu engagieren – zumindest nicht alleine. Jobsharing wird deshalb wohl weiter an Bedeutung gewinnen.
Was bedeutet das für die Vereine?
Beer: Die Vereine müssen und werden flexibler mit kreativen und innovativen Ideen auf die Bedürfnisse der Mitglieder und des Umfelds reagieren. Das fordert die Vereine auch neben dem Platz.
Schötzau: Laut der Vereinssportstudie haben nur wenige Vereine eine Strategie beim Rekrutieren von Ehrenamtlichen. Viele meistern wohl den Alltag hervorragend, haben jedoch kaum Ressourcen, sich mit strategischen Themen auseinanderzusetzen. Hier sehen wir einen Bereich, in dem wir die Sportvereine besser unterstützen müssen.
Verlieren die Sportvereine wegen der zunehmenden Individualisierung an Bedeutung?
Beer: Nein, im Gegenteil. Über einen Verein ist es einfacher, sich in einer Gemeinde zu integrieren und ein soziales Umfeld aufzubauen. Je globalisierter und individueller die Gesellschaft, desto grösser das Bedürfnis nach Heimat und Halt.
Schötzau: Für den sozialen Kitt sind Sportvereine wichtig. Vereine werden auch in Zukunft eine wichtige gesellschaftliche Rolle einnehmen und Leute unterschiedlichster Herkunft zusammenbringen. Zudem ist der Verein die ideale Form für viele Sportangebote. Gerade im wettkampforientierten Sport sowie im Kinder- und Jugendsport haben die Vereine eine zentrale Bedeutung.
Wie unterstützen der ZKS und das Sportamt die Vereine?
Beer: Als ZKS können wir die Sportverbände mit Dienstleistungen in verschiedenen Bereichen unterstützen und entlasten. Wir zeigen den Vereinen unter anderem auf, wie sie mit Vereinsnetzen innerhalb der Gemeinde Synergien nutzen können. Unsere Strategien und Massnahmen entwickeln wir proaktiv in Abstimmung mit dem kantonalen Sportamt. Wir wollen die Megatrends spüren und ein kompetenter Ansprechpartner sein.
Schötzau: Das Sportamt ist unter anderem verantwortlich für J+S im Kanton Zürich. Dabei ist es uns ein zentrales Anliegen, dass die Aus- und Weiterbildung ehrenamttauglich ist und bleibt. Der einwöchige Grundkurs hat sich bewährt, aber er ist nicht für alle die beste Lösung. Bei der Lancierung unseres Programms 1418coach haben wir gemerkt, dass die Vereine auf ein Angebot zur Förderung des Trainernachwuchses gewartet haben.
Gibt es konkrete Angebote?
Schötzau: Das Sportamt unterstützt Projekte und Angebote, die Brücken zum Vereinssport bauen und den Vereinen eine Plattform zur Verfügung stellen, um sich zu präsentieren. Das Sportfest, das wir gemeinsam mit dem ZKS organisieren, ist so eine Form. Der freiwillige Schulsport ist ebenfalls ein wichtiges Element. Auch lokale Sportwochen sind ausgezeichnete Schaufenster für Sportvereine.
Beer: Neben bestehenden Angeboten wie ZKS-Weiterbildung, «Der aNDerE Sportpreis», Zertifikat und «fitforkids» werden wir eine Vereins- und Verbandstagung ausrichten, um die Vernetzung zu fördern, voneinander zu lernen sowie den Praxistransfernutzen zu steigern.
Wie haben sich die Ansprüche und Anforderungen an ZKS respektive Sportamt verändert?
Schötzau: An uns werden vermehrt sportfremde Themen herangetragen, zum Beispiel aus dem Bereich Umweltschutz. Integrationsziele werden über den Sport angestrebt. Die Bevölkerung wächst, die Vereine wachsen – der Sport braucht mehr Raum, der nur bedingt zur Verfügung steht.
Beer: Ebenso wird das Raumplanungsgesetz den Druck auf den Sportraum erhöhen. Es wird unsere Aufgabe sein, solche den Sport betreffende Themen zu antizipieren und Lösungen vorzubereiten, damit sich die Sportvereine auf ihr Kerngeschäft fokussieren können.
Quelle des Basisbeitrages: Dossier «Herausforderung Sportverein», Mai 2018 Herausgeber: Zürcher Kantonalverband für Sport und Sportamt Kanton Zürich